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11.11.2021, Frankfurt am Main

Lieferengpässe und fehlendes Fachpersonal bedrohen Handwerksbetriebe trotz voller Auftragsbücher

Foto: Adobe Stock

Die Corona-Pandemie beeinflusst noch immer unser tägliches Leben. Auf der anderen Seite aber verliert die Angst vor einer weiteren Welle wegen der Impfmöglichkeiten und neuer Medikamente einen Teil ihres Schreckens. Die Konjunktur ist wieder angesprungen und das Handwerk steht mit beiden Beinen fest auf goldenem Boden. Die Auftragsbücher sind prall gefüllt, doch mit Materialknappheit und Personalmangel gibt es gleich zwei weitere Herausforderungen zu meistern. Die Gründe dafür sind vielschichtig.

Lieferengpässe waren für die meisten Menschen hierzulande bisher nicht viel mehr als ein Gespenst aus ferner Vergangenheit. Über den Mangel an Toilettenpapier, Nudeln und Backhefe während des ersten Corona-Lockdowns kann inzwischen schon wieder gelächelt werden. Seither ist die Rohstoffknappheit allerdings nicht verschwunden, sondern hat sich lediglich verlagert. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) berichtete bereits im Mai 2021 von den konjunkturbremsenden Engpässen. Bauholz, Fahrräder und Computerchips wurden in der damals veröffentlichten Studie exemplarisch genannt – also Güter, die zumindest für die Sanitär- und Heizungsbaubranche und die Schornsteinfeger keine zentrale Bedeutung haben. Anders sah es bei den Elektrotechnikern aus, die bereits mit deutlich verlängerten Lieferfristen zu kämpfen hatten.

Mittlerweile sind nahezu alle Branchen von der Materialknappheit betroffen, wobei die Krise im Handwerk besonders deutlich zu spüren ist. Auch wenn die stark gestiegenen Preise für Kraftstoffe, Papier oder Weizenmehl medial die deutlich größere Beachtung erfahren, sind von verzögerten Lieferungen an das Handwerk letztlich auch die Endverbraucher betroffen. Für die Sanitär- und Heizungsbaubranche kann schon das Fehlen kleiner Bauteile große Auswirkungen haben. Innungsobermeister Tilo Kraus von der Innung Sanitär und Heizung Stuttgart-Böblingen fasst die Problematik zusammen, von der die gesamte Branche hierzulande und international betroffen ist. „Manchmal fehlt nur ein Bauteil, sodass der Artikel nicht fertig produziert und geliefert werden kann.“ Aktuell gebe es daher monatelange Lieferengpässe bei Warmwasser- und Pufferspeichern, auf eine neue Heizung müssten Kunden sogar bis zu sechs Monate warten. Die gleichzeitig steigenden Preise der Lieferanten seien ein weiteres Problem, da diese an die Kunden weitergegeben werden müssten. „Die Folge dieser gesamten Verkettung ist, dass wir bereits zum dritten Mal die Preise erhöhen mussten, und im Dezember wird die nächste Erhöhung folgen“, so Tilo Kraus im Gespräch mit der Leonberger Kreiszeitung.

Die Suche nach den Ursachen kann allerdings dazu beitragen, die Situation wieder zu entspannen. Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde die globale Wirtschaft weit heruntergefahren, dementsprechende Nachholeffekte sind aktuell zu spüren. Zudem reisen die Menschen weniger, sondern besinnen sich mehr auf ihr eigenes Zuhause. Lange wurde nicht mehr so viel gebaut, konstruiert, renoviert und erneuert wie aktuell. Es ist also von einer weiterhin hohen Nachfrage auszugehen, die mittelfristig allein durch die Gesetzmäßigkeiten der Marktwirtschaft gestillt werden wird. Offene Grenzen innerhalb Europas und international getroffene Handelsbündnisse werden ihren Teil zu einer Normalisierung beitragen.

Die Arbeit ist da – aber wer kann sie bewältigen?
Während sich die meisten Experten darüber einig sind, dass es sich bei den Lieferengpässen um ein temporäres Problem handelt, bleibt der Fachkräftemangel weiterhin ungelöst. Schon seit Jahren bleiben viele Lehrstellen im Handwerk unbesetzt. Und fehlende Azubis führen mittelfristig zwangsläufig zu fehlenden Gesellen und fehlenden Handwerksmeistern. Im Oktober 2021 legte der Deutschlandfunk den Finger in die Wunde und berichtete ausführlich über die Personalknappheit im deutschen Handwerk. Der Artikel verweist auf den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) der bereits jetzt von 250.000 unbesetzten Stellen spricht. Laut Verbandspräsident Hans-Peter Wollseifer sei das Problem nicht überall gleich stark zu spüren. Für einige Bereiche spricht Wollseifer im Gespräch mit dem Deutschlandfunk aber sogar von einer dramatischen Situation. „Da kann ich benennen den Hochbau, Tiefbau, Straßenbau, natürlich alle Ausbaugewerke, aber auch Sanitär, Heizung, den Bereich Elektro; oder solche Bereiche wie Lebensmittelgewerke, Metzger, Bäcker. In den Gesundheitshandwerken wie Orthopädietechniker herrscht Mangel vor, also gibt es mittlerweile einen breit angelegten Mangel an Fachkräften im Handwerk.“ Uwe Siegemund von Siegemund & Söhne GmbH, einem Fachbetrieb für moderne Heizung-, Sanitär-, Klima- und Solar-Technik in Frankfurt am Main zeichnet hier auch kein positiveres Bild und bringt es auf den Punkt: „Wir könnten aktuell zig mehr Aufträge für Heizungswartungen schreiben, wenn wir ausreichend Material und Manpower hätten. So müssen wir den Kunden leider absagen.“

Viele Lösungsansätze, aber kein Patentrezept
Schon vor Jahrzehnten wurden Handwerksunternehmen gerne kreativ, wenn es um die Anwerbung neuer Lehrlinge ging. Zwar lässt sich nicht mehr verifizieren, ob Opa damals wirklich einen Motorroller von seinem Ausbildungsbetrieb geschenkt bekommen hat. Sicher ist aber, dass derlei Bemühungen nur dann Früchte tragen können, wenn junge Menschen in ausreichender Zahl ins berufsfähige Alter kommen. Angesichts der niedrigen Geburtenrate ist dies auch mittelfristig nicht zu erwarten. Marcel Fratzscher, leitender Ökonom des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sieht immerhin eine Chance in der Zuwanderung. Damit ist er ganz auf der Linie von Detlef Scheele, dem Chef der Bundesagentur für Arbeit. Dieser nennt eine Zahl von 400.000 benötigten Zuwanderern pro Jahr, um den Fachkräftemangel „halbwegs“ kompensieren zu können.

Ein Weg, der Zukunft haben könnte. So hat jeder zweite nach Deutschland gekommene Flüchtling eine Ausbildungsstelle im Handwerk gefunden. Zusammen mit Entsendearbeitern aus verschiedenen Partnerländern und Menschen, die in der europäischen Freizügigkeit eine Chance für ihr Berufsleben erkennen, halten sie schon jetzt zahlreiche Handwerksbetriebe am Laufen. Sicher ist, dass hier weitere Anstrengungen notwendig sein werden. Denn unter möglichen Zuwanderern steht das deutsche Handwerk im internationalen Wettbewerb.

Und wie ist es bei Ihnen?
Inwiefern sind Sie von Lieferengpässen und vom Fachkräftemangel betroffen? Wie gehen Sie mit der Situation um und welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die Zukunft Ihres Betriebes? Schreiben Sie uns dazu gerne eine E-Mail. Wir werden die Entwicklungen weiterhin verfolgen und darüber berichten. Dafür interessiert uns auch Ihre persönliche Perspektive.

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